Es ist wieder Preisregen-Saison. Am 27. März werden in Hollywood die Oscars verliehen. Und man kann sagen: Egal, wer die goldenen Statuen am Ende mit nach Hause nimmt, es steht schon eine Gewinner-Gruppe fest: die der Streaming-Dienste. Netflix, Amazon Prime Video und Apple+ gehen mit so vielen Oscar-Nominierungen wie nie zuvor ins Rennen und zeigen: Sie sind eine neue Großmacht der Filmbranche, die nun auch im Herzen Hollywoods die Muskeln spielen lässt.
Ein Netflix-Film als “Best Picture”-Favorit
Benedict Cumberbatch in “The Power of the Dog” von Jane Campion
Allein der Western “The Power of the Dog” ist 12 mal nominiert – unter anderem als bester Film. Auch Regisseurin Jane Campion hat gute Chancen als dritte Frau nach Kathryn Bigelow und Chloé Zhao den Regie-Oscar zu gewinnen. Die Cowboy-Saga rund um Kirsten Dunst und Benedict Cumberbatch ist eine Netflix-Produktion und dementsprechend war der Film nur in wenigen Kinos im Umfeld des Streamingstarts Anfang Dezember zu sehen. Eher ein taktischer Feigenblatt-Kinoeinsatz, um sich so auch für die Oscars zu qualifizieren. Die Taktik ist aufgegangen: “The Power of the Dog” gilt als diesjähriger Oscar-Favorit – ein Novum für einen Streamingfilm.
Verschieben sich die Machtstrukturen der Filmbranche?
Hat sich das Mächteverhältnis zwischen klassischen Filmstudios und den neuen Streaming-Giganten auch bei der Oscar-Academy verschoben, die bislang sehr kinoaffin war und die Streamer eher ausgrenzte? Einflussreiche Branchenvertreter sagen ja, so etwa Fred Kogel, Produzent, Verleiher und CEO von Leonine:
Filmprodugent Fred Kogel
“Es ist natürlich eine schwierige Wertung, was ist nun ein echter Oscar-Film und was nicht? Natürlich haben die Streamer – das muss man auch anerkennen – zum Teil die Funktion des Kinos übernommen, Auch Produzent Quirin Berg ist der Meinung: “Im Streaming entstehen großartige, qualitativ absolut hochwertige Filme, und insofern finde ich das absolut richtig, dass das bei den Oscars genauso gewürdigt wird.”
Kinoerfolg der Produzenten Wiedemann und Berg: die BR-Koproduktion “Werk ohne Autor” (Filmszene)
Quirin Berg und Max Wiedemann produzieren Serien und Filme für viele Plattformen. Und waren schon zweimal im Oscarrennen – mit Florian Henckel von Donnersmarcks Dramen “Das Leben der Anderen” und “Werk ohne Autor”. Zwei klassisch im Kino ausgewertete Spielfilme, beide Koproduktionen des Bayerischen Rundfunks. Trotz der neuen Streaming-Filmwelle gilt für Wiedemann und Berg weiterhin: Gut platzierte Kinofilme bekommen mehr Aufmerksamkeit und können gesellschaftlich auch für mehr und langfristigeren Gesprächsstoff soprchsstoff
“Ja, man natürlich einen anderen Aufschlag, wenn man mit einem Kinofilm rausgeht, sagt Produzent Max Wiedemann. “Im Streaming ist alles schnelllebiger, auch leichter konsumierbar. Für die Zuschauer ist bei einem Kinofilm ein anderes Zeitinvestment nötig. Man muss sich ins Kino bewegen, meist nicht alleine, sondern man mit Freunden rein, sondern man mit Freunden, sondern man mit Freunden, Einem Kinofilm ein anderes Zeitinvestment nötig , wenn’s einen nicht gefällt, dann schaltet man das aus. Das macht man im Kino eher selten.”
Bester Hauptdarsteller: 4 : 1 für die Streamer
Der einzige “Bester Hauptdarsteller”-Kandidat, der regulär m Kino lief: “King Richard” mit Will Smith.
Doch im diesjährigen Match um die Oscars liegen die Streamer bei wichtigen Kategorien vorn. Will Smith als ehrgeiziger Tennisvater “King Richard” ist als einziger der fünf nominierten Besten Hauptdarsteller im Kino zu sehen. Die anderen vier Nominierten geben ihre Auftritte in Streaming-Produktionen. Etwa Andrew Garfield in der Musical-Biographie “Tick, Tick… Boom!”. Oder Javier Bardem in Amazons dreifach oscarnominiertem Ehe-Drama “Being the Ricardos”. Filme, von denen sie noch nie gehört haben? Willkommen im Club. Selbst starbesetzte Vehikel verschwinden oft schnell in den Untiefen der Streamingangebote, ohne Werbekampagne, ohne Berichterstattung in der Filmkritik, im Feuilleton oder auch in den entsprechenden Online-Portalen. Aber dennoch rumort es in der Branche, und Produzenten wie Fred Kogel stellen fest: “Die große Frage, die uns alle beschäftigt: “Wie wird das Kino in vier, in sechs, in acht Monaten, im nächsten Jahr aussehen?”
Zumindest wird es ohne manch potentiellen Erfolgsgaranten auskommen müssen. Bestes Beispiel: Der Krimi “Knives Out”. In den Kinos ein Riesenhit – aber die Fortsetzungen werden wohl nicht mehr auf die große Leinwand kommen. Denn das Bieterrennen um die Rechte gewann Netflix und legte über 450 Millionen Dollar auf den Tisch. “Knives Out 2” soll nun im Herbst als Stream starten.
Millionenschweres Bieterrennen um Filmrechte
Gehen deshalb den Kinos die Filme aus? Natürlich nicht. Aber die Filmlandschaft wird bald eine andere sein. Und die Streamingdienste werden ihren Platz auch nicht mehr räumen. Ihre Spielfilme sind zwar oft B-Ware – aber das Angebot der Film-Eigenproduktionen steigt…und damit die Zahl der Oscarnominierungen. Was nicht nur an Corona und den über lange Monate hinweg geschlossenen Sälen liegt, sondern auch an der Schwäche der klassischen Studios, die immer weniger Wagnisse eingehen, anders als manche Streaminganbieter mit gut gefüllsen Apple Finan w. Fürs Kino hätte sich Joel Coens Schwarz-Weiß-Adaption von Shakespeares “Macbeth” nur schwer finanzieren lassen. Dank Apple+ aber ist der mörderische König, gespielt von Denzel Washington, zurück, mit dreifach oscarnominiertem Anspruch. Kino oder Streaming beides? Die Zukunft der Filmwelt bleibt spannend.